Die Entwicklung einer smarten Wohnumgebung

Ziel des Kompetenznetzwerkes Informationstechnologie (KI-I) ist es, durch Erforschen, Entwickeln, Verbreiten und Anwenden von technischen und sozialen Innovationen die Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigungen und älteren Menschen zu verbessern. Die beiden Geschäftsführer Dipl.-Ing. Dr. Franz Pühretmair (Bild links) und Dipl.-Ing. Gerhard Nussbaum über die Entwicklung smarter Wohnumgebungen.

Was ist für euch „smart“?
Die smarte Gebäudesteuerung: Technisch ist schon Vieles möglich, tatsächlich stecken wir noch bei den Early Adaptern fest. Bild: Shutterstock

Franz & Gerhard: Beim Begriff „smart“ muss man heute aufpassen. Smart Environment wird heute oft missverstanden, vieles wird als smart und intelligent verkauft, auch wenn es das nicht ist. Wenn z.B. nur ein Bussystem installiert ist, dann ist das nicht smart. Solche Technologien sind lediglich ein Ersatz für die herkömmliche Installation. Wenn man das Licht mit einer App mechanisch ein- und ausschalten kann, dann ist das nicht smart. Hier ist nur die vernetzte Umgebung das Thema, das richtige Intelligenz fehlt noch.

Wenn wir von echter smarter Technologie reden, dann muss noch eine Intelligenz (z.B. ein Computer) vorhanden sein, die auf Vorkommnisse agieren kann. Es gibt auch schon mit Profiling erste Anwendungsmöglichkeiten. Zum Beispiel das Aktivieren von Lichtszenarios, die Kaffeemaschine schaltet sich automatisch ein. Das ist keine Zukunftsmusik mehr. Mit Künstlicher Intelligenz kann das noch viel weiter gehen.

Technisch ist bereits Vieles möglich – in der Umsetzung stecken wir noch bei den Early Adoptern. In welchen Themen liegen eurer Meinung nach noch die Stolpersteine, um diesen Technologien den Durchbruch zu ermöglichen?

Franz & Gerhard: Zum Einen natürlich: Wie weit lehnt sich eine Person heraus und möchte in einer intelligenten Umgebung leben. Mit Kameras, Sensoren, etc. leben bedeutet für viele Menschen eine Reduktion der Privatsphäre. Hier gibt es große Herausforderungen in der Akzeptanz, da es um die grundsätzliche Möglichkeit der Überwachung geht. Die kommende Generation wird hier positiver eingestellt sein, für unsere Großmutter war die Waschmaschine das technische Highlight.

Und zum Anderen: Wenn wir uns selbst an der Nase nehmen, dann sind auch wir bereits eine komplett andere Generation als die digital Natives, die heute groß werden. Wir sind noch mit Telefon, etc aufgewachsen. Das Auto ist heute 100x intelligenter als die Wohnung, die noch sehr dumm ist und im Vergleich oft einen Neandertaler-Status hat. Autos erkennen heute schon die Fahrerin oder Fahrer, stellen die Heizung entsprechend ein, positionieren den Sitz und rufen ggf. das richtige Massageprogram auf und vieles mehr. Autos sind heute schon fahrbare Computer, mit selbstfahrender Technologie wird bereits seit längerem experimentiert. Dieser Komfort und diese Intelligenz sind auch schon zu Hause möglich. Da gibt es viele Killer-Applikationen und -Möglichkeiten.

Wir sind allerdings mit anderen Bedienparadigmen aufgewachsen und müssen uns jetzt auch auf neue Dinge einlassen. Es kommt darauf an, in welchem technischen Zeitalter man aufgewachsen ist. Die Facebook-Generation ist wieder komplett anders: Was für die junge Genration selbstverständlich sein wird, das müssen wir erst lernen und die Ängste dem Neuen gegenüber abbauen.

Gibt es noch weitere Gründe, warum sich diese Technologien noch nicht durchgesetzt haben?

Franz & Gerhard: Da spielen noch viele weitere Faktoren eine Rolle. Viele Menschen wollen sich „vom Kastl“ nicht abhängig machen, sie brauchen und wollen soziale Kontakte. Oft kommt die Frage: Wann kommen die Schwestern wieder zum Reden vorbei?

Und dann natürlich die Angst vor Baustellen im hohen Alter. Es gibt aber schon Systeme, die sind über die Stromsteckdose vernetzbar sind, zumindest Teile sind steuerbar ohne die Wand gleich aufzureißen.

Was ratet ihr Häuslbauern, die die ersten Schritte in die Smart Home Technologien setzen wollen?

Franz & Gerhard: Wenn man heute eine Wohnung oder ein Haus baut oder kauft, sollte zumindest eine strukturierte Verkabelung Standard sein. Dann kann man leichter ein Bussystem oder mit smarter Technologie nachrüsten.

Und bitte nicht auf ein proprietäres System setzen. Es gibt ja heute schon sehr günstige Lösungen, aber wenn es den Anbieter vielleicht einmal nicht mehr gibt, dann muss man im Nachhinein diese Technik vielleicht wieder entfernen. Lieber auf einen offenen Standard setzen, das ist nachhaltiger.

Für den ersten Schritt könnte man sein Standardverhalten einprogrammieren, also damit beginnen, die Hausteuerung auf sich abzustimmen. Untertags, wenn man außer Haus ist, kann man die Temperatur im Winter um ein paar Grad absenken. Kurz vor man dann wieder heimkommt, dann wird die Temperatur automatisch angehoben. Man geht dann am Abend in eine aufgeheizte Wohnung. Das bedeutet einen höheren Wohnkomfort, aber auch eine Kostenersparnis.

Über das Bussystem kann man auch Bereiche in der Wohnung stromfrei schalten. Das ist eine Möglichkeit für Menschen, die in der Nacht ihr Zuhause stromfrei halten wegen des Elektrosmogs.

Ein „Killer-Feature“ ist das Thema Nachhaltigkeit. Bis zum Jahr 2030 müssen alle Ölheizungen entfernt werden, derzeit werden hier nachhaltige Alternativen auch stark gefördert. Hier ist die Wärmepumpe in Koppelung mit einer Photovoltaik-Anlage eine gute Alternative. Dann amortisiert sich das Projekt auch ungleich schneller.

Vielen Dank für das Interview!

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