Warum ist eine Elektrotechnik-Lehre und -Ausbildung eine Investition in die Zukunft?

Walter Czetsch, verantwortlich für Produktmanagement & Innovation bei der Energie AG Oberösterreich, plädiert für ein dringendes Umdenken: Lehrberufe wurden zu Unrecht mit einer “Defizitagenda” belegt. Die Karriere mit Lehre ist in der Elektrotechnik so aktuell wie nie zuvor: Es ist ein Beruf mit einer glänzenden Zukunft. 

Technische Berufe, und hier speziell ElektrotechnikerInnen, sind und werden auch in Zukunft hochgefragt sein.

Strom ist der Motor der Digitalisierung. Um die Klimaschutzziele und CO2-Reduktion zu erreichen, müssen wir die Nutzung fossiler Energieträger reduzieren – und das bedeutet fast 1:1 die Forcierung des Energieträgers Strom. Verbrauchssteigerungen von 10% und mehr in den kommenden Jahren – der Faktor Elektromobilität noch gar nicht mitgerechnet – sind sehr wahrscheinlich.

Gleichzeitig ist unser Streben nach mehr Lebenskomfort von einerseits beratungs- und wartungsintensiven, andererseits von technisch herausfordernden Entwicklungen geprägt. Smarte, vernetzte Gebäude sind nur ein Beispiel für diesen Trend. Elektrotechnik ist aus kaum einem Lebensbereich wegzudenken.

So freut es mich daher, dass es immer mehr Fachhochschul- und Universitätsausbildungen gibt, die sich dem Thema Elektrotechnik von der Ingenieursseite her nähern. Spezialisten sind gefragt, um die technischen Entwicklungen voranzutreiben. Wir brauchen aber auch jene ElektrikerInnen, die auf der Baustelle die Produkte einbauen und warten. Sie sind der direkte Ansprechpartner für unsere Kundinnen und Kunden, die Visitenkarte der gesamten Branche und der Garant für den Erfolg der Digitalisierung am Markt. Elektriker von heute haben mit den „klassischen“ Elektrikern von vor 20 Jahren kaum noch mehr als den Namen gemeinsam. Der Beruf wird immer vielseitiger, anspruchsvoller und spannender.

Wir haben also einen dringenden Bedarf an ElektrikerInnen, aber viel zu wenige gute Leute, die mit positivem Lehrabschluss „nachwachsen“. Leider hat die Lehre in den vergangenen Jahrzehnten an Attraktivität eingebüßt. Lehrberufe sind in der Gesellschaft mit einer „Defizitagenda“ belegt. Wer seine Kinder zukunftsfit ausbilden lassen möchte, ermöglicht ihnen eine höhere Ausbildung. Die Lehre wird oft als „Verlegenheitsausbildung“ für jene gesehen, die anders nicht vermittelbar sind – eine fatale Fehlentwicklung, die übrigens nicht nur die Elektrotechnikbranche betrifft.  

In der Elektrobranche ist ein „Kampf“ um die besten Köpfe entbrannt, der nicht einmal mehr mit Geld zu gewinnen ist. Unser Wirtschaftswachstum in Mitteleuropa ist jetzt schon an Personalgrenzen gestoßen. Gibt es zu wenig qualifiziertes Personal, können bestehende Aufträge nicht abgearbeitet und in weiterer Folge neue Aufträge nicht mehr angenommen werden. Ein Beispiel dafür ist der Photovoltaik-Sektor: Die Politik heizt den Markt mit immer neuen Förderungen, Steuererleichterungen und Versprechungen an. Die Umsetzungskapazitäten fehlen aber, sodass es beim Kunden zu Verzögerungen und monatelangen Wartezeiten kommt. Ich kenne eine ganze Reihe von PV-Montageunternehmen, die sofort ihre Kapazitäten verdoppeln könnten, das notwendige Personal aber nicht bekommen. Der Markt ist somit überhitzt, was kundenseitig für Unzufriedenheit sorgt und auf die positive Stimmung drückt. Gut gemeinte Umweltpolitik läuft ins Leere, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen.

Der Gradmesser für den Erfolg der Energiewende wird daher nicht sein, wie viele Fördermillionen die Politik in die Entwicklung pumpen wird. Es wird die Antwort auf die Frage sein, woher das qualifizierte Personal kommen soll, das die Technik zu den Kunden bringen, dort installieren und in Betrieb nehmen soll.

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