- 8. April 2021
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Berufliche Perspektiven in Mängelberufen schaffen
Laut ersten Informationen werden sich etwa zwei Drittel der MitarbeiterInnen gegen die Übernahme des MAN-Werks in Steyr aussprechen. Damit dürfte der Übertritt in die WSA Beteiligungs GmbH von Siegfried Wolf nicht zustande kommen. Die MAN-Zentrale in München hat bereits die Standortgarantie bis 2030 aufgekündigt, man sieht als einzige Alternative die Schließung des Werks bis 2023.
An Geschichten wie diese werden wir uns zu COVID- und in disruptiven Zeiten wohl gewöhnen müssen. Durch Covid nahmen Digitalisierung und die technologische Entwicklung noch an Fahrt auf: Was normalerweise Jahre gedauert hätte, wurde nun innerhalb weniger Monate geschaffen. Wir kaufen quer durch die Altersschichten online ein, kommunizieren verstärkt via Video-Calls. Unternehmen, die sich lange gegen eine Digitalisierung und Sichtbarkeit im WWW gewehrt haben, hat es 2020/21 schwer getroffen. Und diese Veränderungen sind gekommen um zu bleiben.
COVID, aber auch erodierende Businessmodelle (die durch die derzeitige Krise besonders betroffen sind) sorgen für eine hohe Arbeitslosigkeit in einigen Sektoren. Manche dieser Branchen – wie zB der Tourismus – werden mehrere Jahre benötigen, um wieder zu alten Höhen hochzufahren. In anderen Sektoren wird dies für viele Arbeitnehmerinnen nicht mehr der Fall sein: Hier werden am Arbeitsmarkt andere Fertigkeiten nachgefragt. Und Menschen, die diese nicht mitbringen, haben immer weniger Chancen, einen Job zu finden. Auf diesen wachsenden Gap zwischen angebotenen und nachgefragten Skills weist etwa Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, seit Jahren hin.
Es stellt sich daher die Frage: Wie können wir den Menschen aus den sogenannten Überhang-Jobs berufliche Perspektiven in Jobs mit Unterdeckung geben? Denn egal ob IT oder Technik: In vielen Bereichen wird heute hängeringend nach Fachpersonal gesucht. Ebenso scheint in vielen Unternehmen noch völlig ungeklärt: Wie sieht mein Unternehmen in den kommenden Jahren aus, und welche Skills benötige ich daher? Wieviele meiner MitarbeiterInnen gehen in den einzelnen Abteilungen mit dieser Entwicklung mit und wie kann ich sie auf diese neuen Skills vorbereiten?
Eine Lösung für diese Fragen ist nicht nur für das einzelne Unternehmen wichtig. Auch in der gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung stehen wir heute an einem Scheideweg: Wir werden nur dann unseren Wohlstand halten können, wenn wir nicht nur als Individuum, sondern auch als Land und als Wirtschaftsraum unseren Weg in die Digitalisierung finden.
Wie ein Weg aussehen könnte
In vielen Bereichen hat die Digitalisierung schon vor Jahren die Businessmodelle erodieren lassen. Aus einem dieser Sektoren komme ich: Aus der Kommunikation. Ich bin seit 20 Jahren in diesem Feld aktiv, und vor allem mit der Wirtschaft- und Finanzkrise 2008/09 wurde dieser Entwicklung ein Brandbeschleuniger hinzugefügt. Damals haben mir Freunde gesagt: Mach doch was mit der Digitalisierung. Jo, eh. Aber was? Wo beginnen?
Ein Coach hat mir dann die richtige Frage gestellt: Was sind deine Fähigkeiten, und wie kannst du sie in der Zukunft einsetzen?
In einer Clubhaus-Runde diskutierten mit Arbeitsminister Martin Kocher u.a. Rainer Strack, Managing Director von Boston Consulting (BC) in Düsseldorf, genau diese Thematik. Dazu gibt es auch bereits Untersuchungen: In der Studie “Towards a Reskilling Revolution” des World Economic Forum gemeinsam mit Boston Consulting geht es um tragfähige Übergänge mit einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Die Studie fragt: Welche Skills bringen MitarbeiterInnen aus den Überhang-Sektoren mit, und wo in den aufstrebenden Sektoren könnten diese Fähigkeiten eingesetzt werden? So wird sich ein/e KellnerIn vermutlich nicht zu/r ElektrotechnikerIn ausbilden lassen, aber möglicherweise TechnikerInnen aus dem Aviation-Sektor.
Die Studie geht auf die Sektoren Aerospace, Aviation, Travel and Tourism, Consumer, Oil and Gas sowie Financial Services ein. In diesen Branchen geht man von einen massiven Wandel in den kommenden Jahren aus. Für die IT und Technologie-Sektoren mit einem hohen FacharbeiterInnen-Mangel ist zum Einen die in der Studie beschriebene Vorgehensweise ein guter Anhaltspunkt für die interne Analyse. Und sie zeigt zum Anderen die Möglichkeiten auf, in welchen Überhang-Sektoren nach qualifiziertem Personal gefischt werden kann, um diese Menschen mit einer gezielten Weiterbildung fit für ihre berufliche Zukunft, aber auch die der Unternehmen zu machen. Mittlerweile ist unser Wirtschaftswachstum durch den FacharbeiterInnen-Mangel bedroht – darauf geht unser Fachbeirats-Mitglied Walter Czetsch, verantwortlich für Innovation & Produktmanagement bei der Energie AG Oberösterreich, in seinem Blogbeitrag ein. Ein weiterer positiver Aspekt ist das höhere Jahresgehalt, das in den neuen Jobs erwartet werden kann – dadurch werden Menschen unabhängiger vom Staat mit seinen Sozialleistungen.
So gibt es in den Überhang-Sektoren sicher TechnikerInnen, die nach neuen Aufgabenfeldern suchen. Ich wünsche den MAN -MitarbeiterInnen und den vielen Menschen, die jetzt womöglich noch in der Luft hängen, dass sie eine berufliche Perspektive finden. Vieles hängt aber auch von der aktiven Einladung an sie ab – und vom Willen, sie auf diesem Weg zu unterstützen.
Hier gibt’s die Studie zum Download: https://www.weforum.org/reports/towards-a-reskilling-revolution
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